#266 IA – Ein Soziologe über Erziehungsdruck - Für Eltern, die ihre Kinder wirklich stärken wollen

Shownotes

In dieser Folge zu Gast: Norbert Schneider – Soziologe, Vater und ehemaliger Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Er spricht mit uns über sein neues Buch „Mut tut gut“ – und über eine Wahrheit, die viele Eltern spüren, aber selten jemand laut ausspricht: Wir leben in einer Erziehungskultur der Überforderung. Zwischen Helikopter-Idealen, Perfektionsdruck und dem ständigen Anspruch, „alles richtig machen zu müssen“, geht vielen Eltern der Mut verloren. Doch was, wenn genau dieser Mut die entscheidende Ressource ist? Norbert zeigt, wie eine moderne Gesellschaft Eltern stärkt – nicht kontrolliert. Warum es gut ist, Fehler zu machen. Warum Kinder Krisen brauchen, um kompetent zu werden. Und warum wir aufhören sollten, Kindheit als Schonraum zu begreifen. Stattdessen plädiert er für mehr Vertrauen – in die Kinder, aber vor allem auch in die Eltern. Mit wissenschaftlicher Tiefe, persönlicher Erfahrung und einer klaren Sprache entlarvt er gängige Mythen rund um Erziehung, Überbehütung und Selbstoptimierung. Gleichzeitig lädt er dazu ein, gesellschaftliche Rahmenbedingungen neu zu denken – vom Bildungssystem über die Familienpolitik bis zur medialen Erzählung über Elternschaft. Denn wer das Wohl der Kinder im Blick hat, muss endlich auch das Wohl der Eltern ernst nehmen. In dieser Folge erfährst du: Was heute hinter der „Geburtenkrise“ steckt – und warum der Rückgang der Geburten nicht die eigentliche Herausforderung ist Warum Eltern keine perfekten Helden sein müssen, sondern einfach nur „gut genug“ Wie sich die Vorstellung von Kindheit historisch verändert hat – und welche Folgen das für unsere Gesellschaft hat Warum Überbehütung langfristig gefährlicher ist als jede Krise Welche politischen und sozialen Veränderungen notwendig wären, um Eltern wirklich zu entlasten Wie Kinder Resilienz entwickeln – und warum sie dafür manchmal scheitern müssen Schlüsselbegriffe: Norbert Schneider, Elternschaft, Geburtenrate, Geburtenkrise, Kindheit heute, gesellschaftlicher Wandel, Erziehung, Bildungssystem, Überforderung, Familienpolitik

Elternsein #Geburtenkrise #MutzurFehlerkultur #KindheitHeute #GesellschaftlicherWandel

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Luca Beutel: ein. Das heißt, wir können im Prinzip gleich rein starten mit meiner ersten Frage. Und ich würde einfach mal sagen, Mut tut gut. Warum wir unseren Kindern mehr zutrauen können. Und damit herzlich willkommen an den wunderbaren Norbert Schneider. Herzlich willkommen zurück auch.

Norbert Schneider: Ja, schön, dass ich noch mal dabei sein darf.

Luca Beutel: Ja, du hast ein Buch geschrieben, das genau den Titel hat. tut gut, warum wir unseren Kindern mehr zutrauen können. Erzähl doch mal ganz kurz, der Titel verrät ja schon ein bisschen, aber worum geht's im Bu?

Norbert Schneider: Der Ausgangspunkt für das Buch war der wissenschaftliche Befund, dass es in Deutschland sehr viele Eltern zu geben scheint, die sich gestresst fühlen, die verunsichert fühlen, die sich überfordert fühlen. Und die Frage, die ich mir zunächst gestellt habe, war, stimmt das? Was sind die Ursachen dafür? Kann man Abhilfe schaffen? Das war sozusagen die Ausgangsidee für das Buch. Und ich selber bin ja Soziologe und ich habe einen soziologischen Blick auf diese Dinge und ich dachte bei dieser Thematik, es geht ja letztlich Familienleben heute. Es geht die aktuellen Umstände von Elternschaft, von Elternsein, von Eltern-Kind-Beziehung und da habe ich gedacht, das ist gut, wenn man auch die individualistische Perspektive anbezieht und deswegen habe ich die Kollegin Bellinger, die ich seit Jahren kenne, gefragt. Die ist Psychotherapeutin und so dass wir bisschen diese Perspektivenvielfalt erstellen können. Und das war im Prinzip der Ausgangspunkt und die Zielsetzung war von Anfang an, wir wollen keinen Ratgeber schreiben. Sondern wir wollen eigentlich eine kritische Analyse betreiben. des Familienlebens heute oder noch konkreter eigentlich der Kultur des Aufwachsens. Und eine kritische Analyse des, wie ich finde, überschießenden Diskurses über die Probleme der Eltern und was kann man tun, was kann man ihnen raten. Fünf Dinge, wenn du die tust, wird sich dein Kind gut entwickeln. halten wir grundsätzlich für verfehlt, weil wir nicht glauben, dass es für komplexe Probleme einfache Lösungen gibt, die auch noch für alle passen. Und insofern haben wir auch bisschen eine Kritik des öffentlichen Diskurses zu dieser Thematik geschrieben. Und das Ganze besteht im Prinzip aus Beobachtungen, die wir machen oder gemacht haben, aus Erfahrungen im Alltag, aus der Analyse wissenschaftlicher Befunde.

Norbert Schneider: Und als dritte Quelle, wir haben 55 Interviews geführt mit Menschen, in irgendeiner Weise in dem Erziehungsprozess beteiligt sind. Kinder, Eltern, Lehrer, Kindergärtnerinnen, Psychotherapeuten, Logopäden, Hebammen, keine Ahnung. Also es war ein sehr breites Spektrum. Und das war der Funus, das die immer geschöpft haben.

Luca Beutel: Okay, wow, also das ist nicht nur Theorie. Ja, nicht nur graue Theorie, sondern ihr seid wirklich dann in Anführungsstrichen auf die Straße gegangen und habt auch die Praxis abgeklopft, Interviews geführt, Leute vors Mikrofon geholt und geschaut, was denken die dazu aus den verschiedensten aus den verschiedensten Altersgruppen oder auch Bevölkerungsschichten und so weiter. Und rollen auch. dann euer ... Bild davon einfach auch zu schärfen, was ist wirklich da draußen. Und Auslöser, wenn ich es richtig verstanden habe, so dieses Eltern fühlen sich überfordert, Eltern sein ist schwierig, man kommt nicht mehr zurück, man hört sich auch immer so, Helikoptereltern, alle wachsen nur noch behütet auf und so weiter. Und diesen Diskurs mal nicht mit einem Ratgeber, sondern einfach mal so eine Art Bestandsaufnahme machen, so wo stehen wir wirklich? Und auf was kommt es auch so ein bisschen an? Wie ist denn, was ist denn rausgekommen? Wie ist die aktuelle Kultur des Aufwachsens bei uns? Also ihr bezieht euch ja auf Deutschland wahrscheinlich, oder?

Norbert Schneider: Also... Wir haben uns ausschließlich auf Deutschland beschränkt und wir haben uns auch innerhalb Deutschlands auf bestimmte Schichten beschränkt. Weil natürlich die Lebenslage der Familien in Deutschland ist wahnsinnig differenzierend. Und insofern haben wir gesagt, wir beschränken uns im Prinzip auf den Kern der Gesellschaft, nämlich im weitesten Sinne die Mittelschicht. Wir haben ganz wenig Spezifisches geschrieben, zum Beispiel über Migrantenfamilien. Wir haben relativ wenig geschrieben über Familien, die wirklich in Armut leben, also nicht nur Armuts bedroht sind. Und wir haben auch spezifische Familienformen, alleinerziehende, gleichgeschlechtliche Elternpaare nicht speziell adressiert, sonst wäre es uferlos geworden. Also insofern haben wir den Fokus gerichtet und auch im Vorwort praktisch reingeschrieben. dass es schon ein Mittelschichtsausgabe hat. Aber darauf haben wir dann auch relativ differenziert fokussiert. Aber zur eigentlichen Frage, was macht die Sache aus? Was ist die Kultur des Aufwachsens? Die Formel, die wir im Prinzip dazu

Luca Beutel: Okay. Aber habt ihr zumindest dazu geschrieben.

Luca Beutel: Oder was ist die Kultur des Aufwachsens aktuell? Was habt ihr rausgefunden?

Norbert Schneider: auf die wir uns verständigt haben, ist die Kultur des Aufwachsens ist einerseits gekennzeichnet durch eine spezifische soziale Konstruktion der Lebensphase Kindheit und des Kindes als sozialer Figur, als bedroht, als verletzlich, als schutzbedürftig. Und die soziale Konstruktion von Eltern, die sich im Prinzip, also Eltern schafft, als Elternpflicht. bedürfnisorientierte Erziehung, stelle deine eigenen Bedürfnisse ganz hinter die des Kindes zurück und begleite das Kind auf seinem Weg zum Erwachsenen mit größter Achtsamkeit und mit größter Beteiligung. Und das ist schon ein Impuls und das Ganze eingebettet in einen gewaltigen Erwartungsdruck, der auf Eltern lastet. Ja, möglichst perfekt alles zu machen, möglichst gut alles zu machen. Es ist ein Erwartungsdruck, der normativ entsteht, aus Normen wie in Anführungszeichen verantwortete Elternschaft. Der aber auch in den Medien entsteht, öffentlichen Diskurs, vor allem auch im Internet über diese Influencer-Geschichten, über die ganzen Ratgebnisse. Tausende von Ratgebern, die man aktuell bestellen kann, die sich mit der Erziehung beschäftigen. Und dieser Druck, dieser normative Erwartungsdruck, der auf Eltern lastet wird, von immer mehr Eltern auch verinnerlicht. Also die setzen sich dann auch noch selber unter Druck. Und wir kritisieren sowohl die soziale Konstruktion des Kindes, das ist nämlich viel robuster, als wir das heute sein lassen. Wir sagen, äh...

Luca Beutel: Mhm.

Norbert Schneider: Du musst keine perfekte Mutter oder kein perfekter Vater sein, sondern sei einfach gut genug. Und wir sagen, wir müssen den Erwartungsdruck, der auf Eltern lastet, reduzieren. Und sozusagen die Formel für einen Schluss lautet, mehr Gelassenheit wagen, mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die Kompetenzen der Kinder. Elternschaft bedeutet Chaos. Elternschaft bedeutet Fehlerhaftigkeit. Und deswegen muss man auch eine vernünftige Fehlerkultur entwickeln. Das sind so die Leitplanken, die wir so am Ende des Buches aufgesetzt haben. Nicht im Sinne von Ratgebern, sondern von Empfehlungen, wo man sagt, Leute orientiert euch daran, aber jeder muss für sich selber im Rahmen seiner Umstände, seiner Möglichkeiten die eigenen Lösungen finden. Man kann Orientierungsrahmen geben.

Luca Beutel: Das heißt...

Norbert Schneider: Aber innerhalb derer muss jeder das Beste für sich selber finden. Und nicht einfach nachmachen, sozusagen irgendwas.

Luca Beutel: Lass uns mal noch mal auf ... Ja. Lass uns mal auf die Sachen eingehen, die es so kritisiert. Du hast jetzt gerade schon paar genannt. Man muss perfekt sein als Eltern. Oder was wird von außen vorgelebt durch Influencer und Co.? Was habt ihr daraus gefunden? Also woher kommt es auch, dass man perfekt sein muss? warum muss man perfekt sein? Warum denken das die Eltern?

Norbert Schneider: Ja, also ich denke die Ursprünge dieser Entwicklung, die gehen vermutlich zurück auf die 1970er Jahre Kalifornien, da entstand etwas, das nannte sich Child Savers Bewegung. Das war im Prinzip eine Bewegung, die gesagt hat, wir müssen den Kindern als Erwachsene eine angemessene gute, glückliche Kindheit gewährleisten. Und daraus hat sich dann letztlich entwickelt die UN-Kinderrechtskonvention. Daraus hat sich entwickelt dieser Rechtstatbestand sozusagen des Kindeswohls als wichtigste Aufgabe der Eltern. die bestmögliche Entwicklung und das bestmögliche Wohl des Kindes herzustellen. Das ist sozusagen die rechtliche Grundlage auch in Deutschland. Und sozusagen das andere, das Gegenteil ist, im Kindeswohl Gefährdung, überall wo Kindeswohl Gefährdung vorherrscht, muss wer auch immer, der Staat, die Gesellschaft, Institutionen einsteigen. Der Klassiker ist sexueller Missbrauch. Da werden an Kindergärtnerinnen oder Grundschullehrerinnen geschult. auf mögliche Anzeichen bei den Kindern zu achten und das Ganze im Prinzip auch noch sozusagen dann in irgendeiner Überprüfung münden zu lassen. Und das ist sozusagen in diesem Konglomerat bewegen wir uns. Das Kind wurde immer mehr sozusagen zum Subjekt gemacht, wo es ja prinzipiell eine sehr gute Entwicklung ist. Ich will da nicht missverstanden werden. Nur ist ein Kind ein Kind. Und ein Kind kann dem Erwachsenen nicht auf Augenhöhe begegnen. Ein Erwachsener hat einen Erfahrungsvorsprung, hat einen Wissensvorsprung. Und er muss dem Kind auch hin und wieder mal Grenzen setzen. Er muss die Einhaltung der Grenzen ein Stück weit kontrollieren. Er muss Regeln vorgeben. Und das Ganze nimmt ab. Die Eltern sind immer weniger willens- oder auch in der Lage, solche Grenzen zu setzen.

Norbert Schneider: Und es entsteht so eine Art von Strukturlosigkeit oft in Erziehungsprozessen, die dann ganz schnell in Orientierungslosigkeit bei den Kindern bündet. Und das Ganze noch sozusagen gepaart mit einer meines Erachtens missverstehenden Interpretation der bedürfnisorientierten Erziehung. die oft verwechselt wird mit einer wunschorientierten Erziehung. bedürfnisorientierte Erziehung, es ist prinzipiell eine gute Sache. Aber die entscheidende Sache ist, dass es nicht nur die Bedürfnisse der Kinder gehen kann, sondern auch die Bedürfnisse der Eltern. Und dann sind wir schon am Kern des Problems oder der...

Luca Beutel: Hehehe.

Norbert Schneider: Kern der Ursachen der eingangs genannten Probleme über Forderung für Unsicherung, Stress. Wenn Eltern ganz für ihre Kinder da sein sollen und ihre eigenen Bedürfnisse immer hinten anstellen, dann entsteht Unzufriedenheit. Systematisch. Und es ist vollkommen klar, sag ich jetzt, unzufriedene Eltern können keine guten Eltern sein. Also wer was fürs Kindeswohl tun will, muss sich auch das Wohl der Eltern kümmern. Zufriedene Eltern haben eine viel größere Chance gute Eltern zu sein als unzufriedene Eltern.

Luca Beutel: Ja, macht natürlich Sinn, ne? Der Frust staut sich dann irgendwann, gerade wenn man vielleicht mehrere Kinder hat und das über einige Jahrzehnte geht und man sich ganz hinten anstellt mit allem. Dann staut sich das natürlich irgendwann auf. Was sind so die, aus euren Interviews, was ihr so rausgefunden habt, was so richtige Hands-on-Beispiele vielleicht aus, was machen Eltern gerade, wo ihr sagt, ja, okay, das ist definitiv wunschorientiert statt bedürfnisorientiert oder Da stellt jemand alles ganz hinten an für seine Kinder. Oder so Trends, die ihr auch seht, was Eltern auch machen.

Norbert Schneider: Also ein Trend, den wir sehen, und der ist in relativ vielen Interviews sichtbar geworden, am deutlichsten für uns witzigerweise bei zwei Interviews, wir mit zwei Hebammen geführt haben. Aber auch an anderen Stellen, also zum Beispiel bei Psychotherapeuten ist das Motiv sehr deutlich geworden. Elternschaft... hat sich ein Stück weit von einem früher quasi natürlichen Ereignis und natürlichen Zustand zu einem Projekt entwickelt. Elternschaft ist zur Option geworden, nicht mehr zu einer Selbstverständlichkeit. Ich muss es praktisch aktiv anwählen, ich muss mich aktiv dafür entscheiden. Ich wäre oft eben nicht mehr einfach so Vater oder Mutter, wie das noch vor ein paar Jahrzehnten der Fall war. sondern das erfolgt ganz oft am Ende eines manchmal sogar langen Planungsprozesses. Und dadurch wird das Ganze schon immer mehr verkopft und immer weniger intuitiv. Und die Leute informieren sich und informieren sich schon vor der Schwangerschaft, während der Schwangerschaft, in den ersten Lebensmonaten und Jahren. Was kann ich tun? Was sagen andere? Wie sieht die bestmögliche Sache aus? Und dieser Trend weg von einem intuitiven Erziehungsverhalten hin zu einem rationalen Erziehungsverhalten, der hat problematische Seiten. Das muss man ganz klar sagen. ist so der eine Trend. Und der andere Trend ist, dass schon beginnend mit der Geburt immer mehr zum Event

Luca Beutel: Mhhhmmm.

Norbert Schneider: Alles wird geplant, erlebnisorientiert bis ins Detail. Stellt man sich vor, wie das sein soll und erlebt dann, dass es in der Regel so nicht funktioniert. Also die Hebammer erzählt, wie die werdenden Mütter kommen und wie alles genau ablaufen soll. Und nach sehr kurzer Zeit merken sie, dass es komplett anders verläuft, als man sich monatelang überlegt hat. Und das sind so Erfahrungen. Einerseits des Scheiterns, weil man seinen Plan, den kann man nicht umsetzen. Und andererseits aber auch natürlich Tendenzen, die diese Verkopfung dahingehend unterstützen, dass man es auch noch immer perfekter machen will. Und dass man keinen Sinn hat, dass Kinder zunächst mal für Chaos stehen, im Familienrecht. Und man muss eigentlich mehr sozusagen eine Resilienz entwickeln mit dem Chaos umzugehen und nicht die Idee ich bin so gut, dass es bei mir zu keinem Chaos kommt. ist glaube ich eine Illusion. Also das ist so die eine Linie. Übermäßige Planung, übermäßige Rationalität, starke Erlebnisorientierung. Andererseits, das gilt jetzt weniger für die Mittelschichteltern, sondern mehr für die Eltern im sozialen Unten. Aber wir haben mal zwei Gespräche geführt mit einer Lehrerin und einem Lehrer aus Brennpunktschulen. Und die haben gesagt, die Eltern haben sich komplett abgewendet von den Kindern. Es ist ihnen völlig egal, was mit den Kindern passiert. Sie interessieren sich für nichts. So steigt man sich selber beschäftigt. Wenn der Lehrer sagt, Sohn mit 14 war schon drei Wochen nicht mehr in der Schule, dann sagt das Elternteil, mir egal oder kümmere dich drum, ist nicht meine Angelegenheit. Dieses Vollkommene, das ist praktisch der kontraire andere Sachverhalt, diese Überbehütung auf der einen Seite und diese vollkommene Vernachlässigung auf der anderen Seite. Das ist im Prinzip die

Norbert Schneider: Das sind die Endpunkte der Vielfalt, die sich dazwischen dann eben anbieten. Genau, so weit geht die Schere auf.

Luca Beutel: Die Schere. Die extreme Schere, Schon krass, es so gegensätzlich dann doch ist, auch in einem Land, wo wir doch alle so nahe beieinander wohnen. generell, wenn du sagst, wir gehen jetzt mal zurück auf euer Buch, ihr habt euch hauptsächlich mit der Mittelschicht beschäftigt, das heißt, Problem von Perfektionismus eher und verhätscheln oder wünscheorientierte Erziehung, so nach dem Motto. Ist es dann generell richtig, wenn man sagt, wir verwöhnen unsere Kinder einfach zu sehr?

Norbert Schneider: Also die Mehrheit... Der Bevölkerungsgruppe, die wir im Blick haben, dafür würde ich ganz klar sagen, ja, das trifft zu. Und wir sehen auch erstaunliche paradox anmutende Entwicklungen oder Sachverhalte. Wir haben das genannt, die Verzwergung und die Adultisierung der Kinder. Also indem wir die Kinder langfristig in diesen Schutz- und Schonraum stecken, ihnen alles abnehmen, sie nicht im Hinblick auf die Übernahme von Eigenverantwortung hin entwickeln, entmündigen wir die Kinder Stück weit, weil wir sie nicht rechtzeitig befähigen mit Eigenschaften, die ein Mensch in seinem Prozess des Erwachsenen erwachsen werden, lernen muss. Frustrationstoleranz, Krisenfestigkeit wären Beispiele dafür und natürlich auch bestimmte soziale Fähigkeiten und soziale Kompetenzen, die diese jungen Menschen systematisch nicht oder systematisch erst spät erlernen. Das ist diese Verzwergung. Und die Adultisierung, die parallel läuft, ein Stück weit ist, dass man die Kinder als Partner betrachtet, mit denen man irgendwie auf Augenhöhe kommuniziert und dann sich sozusagen mit der Frage den Kindern auseinandersetzt, dem sechsjährigen fragt, wohin möchtest du dieses Jahr denn gerne mit uns in den Urlaub fahren? Möchtest du über nach Mallorca oder nach Südtirol? Das Kind

Norbert Schneider: kann diese Frage nicht abschließend beantworten. Das sind sozusagen diese Dinge, die ich als paradox anmutend bezeichne zwischen Adultisierung und Verzweiflung.

Luca Beutel: Hm?

Luca Beutel: Ich habe ein Beispiel aus einem eher entferneren Bekanntenkreis, aber da wird ein Kind jeden Morgen gefragt, wie es heute angesprochen werden möchte.

Norbert Schneider: Ja.

Luca Beutel: Also das ist auch so in dem Alter 6, 5, 6 Jahre oder so was. Fälle das in die gleiche Kategorie, Adultisierung oder... ich aus meiner Perspektive so dieses... Ja, manchmal denkt ein Kind oder spielt mal, dass es ein Hund ist oder eine Katze. Aber ich gehe auch nie so weit und sage, ja, okay, dann darfst du dich jetzt Mini nennen oder Miezi und ich behandele dich jetzt als Katze. Oder ich frage, also weiß ich nicht, wie siehst du das?

Norbert Schneider: Ja schon,

Norbert Schneider: Ja, es ist... Also, mich befremdet das ein Stück weit und es ist sicherlich, ich würde eher sagen, es ein Stück weit auch Verzwagung. Also, weil das Kind natürlich nicht lernt, im Prinzip seine eigene Identität stark und irgendwie... vom geraden Wege zu entfalten, sondern diese Abweichungen, diese Wechsel, glaube ich, die führen nicht unbedingt dazu, dass das Kind an Sicherheit gewinnt. was zu dieser Verzwagung eben auch führt, ist, dass man zum Beispiel in der Schule dem Kind beispringt, wenn es schlechte Leistung abgeliefert hat. Dann ist nicht das Kind schuld, weil es nichts gelernt hat oder möglicherweise die Sache nicht verstanden hat, sondern man adressiert das Problem an den Lehrer und sagt, du hast einen schlechten Unterricht gemacht. Oder du hast mein Kind falsch bewertet.

Luca Beutel: Oder das Kind lernt einfach in einem anderen System besser wahrscheinlich als in dem Schulsystem.

Norbert Schneider: Aber das sind so Sachen, die werden ganz schnell sehr vielschichtig, aber sie zielen immer in ihren Konsequenzen auf eine ähnliche Folge, nämlich Kinder lernen nicht in dem Maße, wie es aus meiner Sicht angemessen wäre, Selbstverantwortung und Eigenverantwortung zu übernehmen für sich und ihre Handlung.

Luca Beutel: Was sind noch so klassische Beispiele, wo wir unseren Kindern die Chance nehmen, Verantwortung zu übernehmen?

Norbert Schneider: Naja, also ich denke, was ein typisches Merkmal heutiger Kindheit ist, ist auf der einen Seite Bewegungsarmut. in Verbindung mit einer starken Institutionalisierung, die meistens bedeutet, dass es ganz wenige erwachsene freie Zeiten gibt in der Kindheit. Also in meiner Zeit da ist man noch mit, gerne eine Ahnung, spätestens mit sechs am Nachmittag einfach unbeaufsichtig draußen gewesen. Mit dem Gleichaltrigen. Das wäre für viele junge Eltern heute eine Horrorvorstellung, dass der Sechsjährige unbeaufsichtigt draußen ist und kann ein Bewohner in einer ländlichen Stadt am Stadtrand wenn es Abendessen gab, hat mein Vater gepfiffen und der konnte sehr laut pfeifen, das hat man sehr weit gehört und dann ist man nach Hause gegangen. Also diese Idee Bewegungsarmut, Institutionalisierung und erwachsenenfreie Zeit, eben auch wenig Zeit zur Selbstentfaltung, wenig Zeit, wo ich nicht permanent geschützt und kontrolliert bin. Wie soll ein Kind lernen, auf einem Baum zu klettern? Komm, man muss es nicht lernen, das ist jetzt nur ein Beispiel. Wenn die Eltern sagen, geh da nicht hoch, du fährst runter und tust dir weh. Und ich saß öfters auf Spielplätzen, wo Kinder, die meines Erachtens schon ziemliches Alter entwickelt hatten, oben auf der Rutsche saßen, auf einem Kinderspielplatz, wo es dann irgendwie an 1,80 Meter runterging und sich einfach nicht getraut haben. Und entweder die Eltern unstand und das Kind auffangen wollten oder die Eltern ihm zugeredet haben, rutsch doch, irgendwie pass aber auf dabei.

Norbert Schneider: Also das sind genau diese Dinge, wo Kinder dann, indem sie ihre Umwelt nicht selber explodieren können, dann haben wir auf die Schnauze gefahren, man muss auch mal um das Knie einfahren. Dann können die auch diese Kompetenzen nicht entwickeln in der Aneignung ihrer Umwelt und damit bleiben sie unsicher und damit bleiben sie... Weiß ich nicht, ängstlich und wie immer. Und dann gibt es ja noch diese Strömung, Jonathan Hyde, anxious generation, wenn die Kinder da nur noch an den Handys rumdütteln, dann verschlimmert sich das und dann erzeugen wir systematisch sozusagen eine ängstliche Generation, die ist deswegen ängstlich, weil sie zu wenig Erfahrungen sammelt in der Aneigung der sozioökologischen Umgebung.

Luca Beutel: Man sieht ja auch, bald bei deinem Spielplatz Beispiel zu bleiben, wenn man nur mal vergleicht, im Kopf habe ich das mal gemacht, wie ein neuer Spielplatz ausschaut, in neuen Kindergarten bei mir in der Heimat, da gibt es ganz neue Außenbereich, die Turnen, Sachen und Klettergerüste und alles Mögliche. Und wenn man die mal vergleicht mit was so davor gestanden war, wenn man mal ein paar Jahrzehnte zurückgeht, das war ja wilder Westen, was man auf dem Spielplatz machen konnte. Da war irgendwie vier Meter hohe Kletterwände gar kein Thema ohne ein Netz drunter oder irgendwas. Wenn du nur da fällst, dann fällst du halt vier Meter. Pech. Unten drunter liegt ein bisschen Sand, aber eigentlich ist es Erde. Fall am besten nicht runter.

Norbert Schneider: Dann ist man auch nicht runtergefallen. Irgendwann muss muss man es, jetzt konnte man es. Das kann man natürlich so oder so sehen, wenn man sagt, das Kind muss geschützt werden, das Kind darf nicht runterfallen, das Kind darf kein Wundesknie haben. Ich bin als Elternteil verantwortlich oder ich delegiere die Verantwortung an die Kindergärtnerin, wenn es sich aufhält.

Luca Beutel: Ja, ja,

Norbert Schneider: Dann kann man sagen, das ist sozusagen eine Perspektive, aber das ist nicht die Perspektive, die wir in dem Buch eingenommen haben als die zielführende, richtige und deswegen auch der Untertitel Kindes sind robuster als wir sie heute sein lassen.

Luca Beutel: Ich war neulich bei einer Freundin, erzählt hat, ich glaube, Dreijähriger oder so was, sie hat ihre Küche extra so geplant im Haus, dass sie eine große Fenster vorne in den Garten hat, dass das Kind immer sehen kann, wo spielt es gerade, was macht es gerade, dass er einfach weiß, der Kleine Einfach wissen, wo der Kleine ist. Ich dachte mir, nicht schon ganz cool, dann kannst du kochen und was vorbereiten und kannst gleichzeitig noch auf dein Kind aufpassen. Der ist jetzt noch nicht sechs, also mit drei ist es noch ein bisschen

Norbert Schneider: Ja.

Luca Beutel: mehr aufzupassen. generell würden ... Ich behaupte jetzt einfach mal, dass viele dir oder dem Buch entgegnen würden, Norbert, wie kann ich denn mein Kind allein draußen im Wald spielen lassen? Also ohne dass da jemand ist, der aufpasst, falls was ist, falls das Kind sich was bricht oder ... es entführt wird oder da laufen ja so viele böse Menschen da außen rum. Was erwiderst du solchen Leuten?

Norbert Schneider: Also zum einen kann ich natürlich verstehen, dass diese Angst existiert. Zum anderen kann man sagen, die statistische Wahrscheinlichkeit, dass das Kind entführt wird, dass ihm durch unbekannte Dritte in irgendeiner Form Gewalt oder andere Form von Schaden zugeführt wird, sich draußen aufhält, die ist minimal. Und noch nie sind Kinder so sicher, so geschützt, so wohlbehalten aufgewachsen wie derzeit. Also das, jetzt sozusagen als Bedrohungsszenario formuliert wurde, würde ich mal sagen, das war typisch für mehrere tausend Jahre Menschheitsgeschichte. Die Kinder sind draußen rumgelaufen und haben sich die Umwelt angeeignet. Und ich behaupte nicht, sondern ich behaupte das Gegenteil, dass es heute gefährlicher ist. Also man muss nicht unbedingt, wenn man in einer großen Stadt, an einer vierspurigen Ausfallstraße wohnt, das Kind auf die Straße schicken, sondern vielleicht den Hinterhof. grundsätzlich würde ich mal sagen, die Bedrohungslage hat abgenommen, nicht zugenommen, aber wir tun so, als sei die Bedrohung permanent, würde sie wachsen, aber sie wächst nicht, das spielt sich in unseren Köpfen ab. Wir haben in dem Buch verschiedene Kriminalstatistiken. reflektiert und wir haben auch mit einer Polizeibeamtin ein Interview geführt, die sozusagen sich mit Kriminaldelikten an Kindern beschäftigt. Und die hat sinngemäß ganz klar gesagt, die Zahlen steigen, aber nicht weil es mehr Taten gibt, sondern weil die Taten, weil man sehr viel Geld dafür investiert, dass der Vorauftritt vom Dunkel ins Hell fällt, genau. dass die Taten heute anders definiert werden. wenn ich irgendwas mache, dann war das vor 10 Jahren noch in Anführungszeichen erlaubt oder normal. Jetzt ist es aber schon eine Straftat. Derselbe Verhalten. Die Wahrnehmung der Menschen hat sich verändert, oder ihre Sensibilität. Das heißt, man meldet solche Sachverhalten auch viel früher, als es in der Vergangenheit der Fall war. Und insofern

Norbert Schneider: misst man statistisch einen Anstieg, den kann man sichtbar machen, wo man hier bedrohen wächst. Wenn man das aber konkret hinterfragt, dann muss man an vielen Stellen eher zu der Einschätzung kommen. Gegen den statistischen Trend hat das Faktische abgenommen. Wir messen es nur anders, wir nehmen es anders wahr und wir weisen es anders aus. Und das ist auch so eine Damit muss man irgendwie umgehen lernen. Und die Frage war, was würde ich diesen Eltern sagen? Dann würde ich sagen, seid achtsam, aber nicht überkontrollierend. Ihr müsst dem Kind die Chance geben, dass es seine Umwelt auch eigenständig explorieren kann.

Luca Beutel: Und ich kann mir also, was ich mir tatsächlich oft vorstellen kann, ist, es ... dass es sehr viel die eigene Angst geht, die man vielleicht als Elternteil hat. Weil das Kind ist wahrscheinlich so, du gehst jetzt mal raus und spielst in meinem Wald, wahrscheinlich so, ja, okay, cool, dann mach ich das mal. Mir fällt schon irgendwas ein oder wollte schon immer machen. Und es geht eher die eigene Angst, man als Elternteil wahrscheinlich hat. dieses, kann ich überhaupt zehn Minuten wegschauen von meinem Kind und das mal allein machen lassen, quasi den Rücken zu drehen und gar nicht wissen, was jetzt hinter mir passiert, was er gerade macht, was er gerade anstellt. Und vielleicht ist es dann irgendwie gut, das vielleicht auch einfach schrittweise zu machen. Man muss ein Kind ja nicht gleich zehn Kilometer in den nächsten Urwald schicken, sondern kann ja sagen, hey, du spielst jetzt einfach mal hinter der Wiese am Haus und ich gehe da weil, muss man mit dem Kind ja nicht sagen, aber ich gehe da weil und mach Wäsche und schau bewusst mal jetzt eine halbe Stunde nach. Und das Kind ist dann am Ende immer noch da. Und dann beim nächsten Mal weiß ich, ich kann es auch zum Nachbar gatten lassen oder hinten in das Waldstück und kommt irgendwann wieder, wenn es Hunger hat oder düstig ist. Vielleicht auch so eine Pö-a-Pö-Rangehensweise vielleicht ganz gut, ne? Für die eigene Angst, ja.

Norbert Schneider: Genau, das ist richtig. Das ist aber genau der Punkt. Ich stimme mich komplett zu. Das ist die eigene Angst. Aber man muss auch, das Beispiel aufzugreifen, wenn ich in der Küche stehe und permanent rausschaue und mein Kind im Auge behalte, mich einmal abwende und dann ist das Kind vielleicht drei Meter weiter gelaufen und ich sehe es nicht sofort. entsteht Stress, entsteht Druck. Und wenn ich sage, okay, das Kind spielt im Garten, dem passiert schon nichts und ich gehe meiner Arbeit nach, das Beispiel, weil ich gehe nach oben und mache die Wäsche, dann mache ich eben die Wäsche und bin dabei relativ gelassen. Wenn ich aber die permanente Angst habe, ich kann jetzt eigentlich keine Wäsche machen, weil ich das Kind beobachten muss, oder wenn ich die Wäsche doch mache und ich wahnsinnig schlecht fühle dabei, weil ich Angst habe, dann entsteht eben... dann entsteht unser Jahr, dann entsteht Überforderung. Und das ist genau der Punkt, wo wir den Eltern gerne zurufen wollen, bleibt ein bisschen gelassen, hat mehr Vertrauen in die kindlichen Kompetenzen. In der Regel fällt das Kind nicht vom Bau.

Luca Beutel: Was sind denn, wenn man mal ein bisschen weiter denkt, aus den Kindern, die so behütet aufwachsen, so Verzwergung und Adultisierung irgendwie erleben, aus denen wachsen ja am Ende irgendwann erwachsene Personen heran. Was bedeutet das für unsere Gesellschaft, wenn wir solche Kinder erziehen, die quasi sehr, schwierig oder sehr, spät erst richtig selbstständig werden?

Norbert Schneider: Also zunächst mal, die Frage ist absolut berechtigt. die Antwort lautet zunächst mal, es bedeutet was für die Zukunft der Gesellschaft. Es bleibt nicht folgenlos. Und die Frage ist, wir haben vorhin darüber gesprochen, dass wir so eine Kritik des Aufwachsens, der Kultur des Aufwachsens geschrieben haben. Und da haben wir auch die Frage gestellt. Eine Gesellschaft wie die unsere muss eine Antwort finden, wann und wie sie die Kinder aus diesem konstruierten Schutz- und Schonräumen entlässt und sozusagen mit den Widrigkeiten der Erwachsenenwelt in einer Weise vertraut macht, dass sie irgendwann noch kompetent damit umgehen lernen. Und wir haben diesen Plan nicht. Und dort wurde es nicht. oder wo das spät oder unzureichend erfolgt, kommt eine Generation hervor, die nicht gelernt hat, kompetent mit Krisen umzugehen. Wer keine Niederlagen erleben musste, kann mit Niederlagen, wenn sie irgendwann mal kommen, schlechter umgehen. Wir brauchen resiliente, krisenkompetente Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Und wir sehen jetzt schon, viele Junge, weil das ist ja nicht die erste Generation, sondern die zweite Generation, die in diesem Zusammenhängen erzogen worden ist, dass die eigentlich wenig Lust haben, Verantwortung in Unternehmen oder in der Wirtschaft zu übernehmen. Die arbeiten, die sind auch kompetent, die jungen Menschen haben viele Kompetenzen, sehr viel besser entwickelt als alle Generationen zuvor. Ich sage jetzt mal Fremdsprachenkenntnisse als Beispiel. sage jetzt mal auch Sensibilität und Empathie. Toleranz, Umgang mit Vielfalt ist sicherlich viel besser entwickelt als in allen Generationen zuvor. Also wir wollen jetzt hier auf gar keinen Fall Generationenbashing oder Elternbashing betreiben. Aber wir sehen eben sozusagen die in Anführungszeichen Defizite, wo wir sagen, da entwickeln wir unsere junge Generation

Luca Beutel: Toleranz.

Norbert Schneider: nicht gut genug. Und das hat Folgen für die Gesellschaft. ich sage jetzt mal, eben Grüßenkompetenz und Verantwortungsbereitschaft wären zwei Beispiele, wo ich sagen würde, dass wir da nicht ganz so gut aufgestellt sind.

Luca Beutel: Ja, das heißt, wir ziehen eigentlich jugendliche Kinder groß, die zwar gute Angestellte sind, aber nie wirklich den Mumm vielleicht mal ein Unternehmen zu gründen oder sie selbstständig zu machen oder wirklich in schwierigen Sachen Verantwortung zu übernehmen. das wollte ich noch sagen, was du gemeint hast mit dem Verlieren und Gewinnen und so was. Ich bin ein großer Fußballfan und Ich auch lang Fußballtrainer und so was gewesen. Und irgendwann, vor ein paar Jahren, es dieses im Juniorbereich, im Kleinkinderbereich, es werden keine Tore mehr gezählt. Wo ich mir dachte, aber warum? Ja, es ist doch blöd, wenn dann die Kinder verlieren und mal 10-0 heimgeschickt werden. Ich dachte mir, ich wurde früher teilweise 21-0 heimgeschickt. Und das gehört einfach dazu. Dafür haben wir in nächsten Saison 21-0 gewonnen. Und du konntest ... Ich kann verdammt gut verstehen, wie sich die Person da gerade fühlt auf der anderen Seite. Das ist furchtbar. Aber das treibt ja auch irgendwo an. Zu sagen, ich will nie wieder 21-0 verlieren. Gerade wenn du in der F-Jugend oder so was spielst, sind solche Ergebnisse wirklich normal. ... das ist mir jetzt gerade aufgefallen, ja auch so ein Anzeichen dieser Entwicklung in diese Richtung. Dass man sagt, wir zählen einfach keine Tore mehr, weil wir wollen niemanden verletzen. Du sollst behütet aufwachsen.

Norbert Schneider: Das ist ein hervorragendes Beispiel, das haben wir den Buchern aufgegriffen, genau dieses Beispiel. den Kurs, den der DFB da in dem Kinderbereich eingeschlagen hat, der ist ein hervorragendes Beispiel für diese weichgespülte Erziehungskultur. Kinder dürfen gar nicht mehr Niederlagen erleben.

Luca Beutel: Wunderbar.

Norbert Schneider: Und da gab es einen schönen Kommentar, den ich jetzt nicht wörtlich zitieren kann in der Süddeutschen, wo sich ihr Mutter, der ein Kind auf Fußball spielt, wahnsinnig beschwert hat darüber, weil sie gesagt hat, mein Kind will Tore schießen, mein Kind will gewinnen, mein Kind will besser sein als die anderen und mein Kind will auch lernen mit Niederlagen umzugehen. Und das ist genau dieser Diskurs, den wir haben. Was ist besser für das Kind, dass ich sage, Das Argument ist, wir müssen allen Kindern die Möglichkeit geben, Fußball spielen zu können. Auch im untalentierten Klammer zu, die werden irgendwann später ausgemustert, spätestens im D-Bereich. Ich habe da nur in das Buch reingeschrieben, ich finde das super. Aber dann plädiere ich auch dafür, dass bei Kinderorchestern alle Flöte oder Trompeten spielen können, die komplett talentfrei sind.

Luca Beutel: Ja, nee. Ja.

Luca Beutel: Ja, da hört man es dann definitiv.

Norbert Schneider: Also da muss man einfach entscheiden, was mir für richtig hält und ich halte ganz klar diesen Kurs nicht für richtig. Sport ist kompetitiv und wenn ich den Kindern sage, ok, du fängst mit 6 im F-Bereich an und bis zum C-Bereich gibt es keine Sieger und keine Besiegten, aber danach schon. Ja, und dann, wie sollen die Kinder das von einer Saison auf die nächste plötzlich können? Das ist schwierig. Und ich finde, man muss lernen, mit Niederlagen, mit Enttäuschungen umzugehen. Man muss lernen, auch akzeptieren lernen, dass es andere Kinder gibt, die irgendwas besser können. Aber gleichzeitig wird man dann immer feststellen, dass man selber was anderes besser kann. Und das ist das Leben. Und da, glaube ich, dazu sollte man die Kinder möglichst ...

Luca Beutel: Ja.

Norbert Schneider: und möglichst flübefähig.

Luca Beutel: Ja, da definitiv, da verstehen wir uns. noch mal kurz auf die Konsequenzen zurückzugehen, was das für uns als Gesellschaft bedeutet, wenn wir Kinder heranziehen, die eben Niederlagen erst spät lernen oder verarbeiten von Niederlagen, Gewinnen verlieren, das andere was besser können, nicht sehr selbstständig sind, sich spät, spät von zu Hause irgendwie abnabeln, dann einfach auch mal eine ganz andere Frage, aber als Eltern, wenn ich jetzt ein Elternteil werde, Welche Pflicht habe ich? Habe ich nicht auch eine Pflicht der Gesellschaft gegenüber, ein Kind zu erziehen, dass irgendwann mal ein Erwachsener wird, der wirklich der Gesellschaft einfach weiterhilft und nicht zur Last fällt? Weil man muss mal ins Extreme spielen. Ein Kind, das sich nicht von daheim abnabelt, das keine Selbstständigkeit lernt oder ganz spät erst sieht erst später von daheim aus. Bereist vielleicht nie so richtig die Welt, hat irgendwie ein ... Angestellten da sein, wo es so vor sich hin drippelt und arbeitet und bisschen was irgendwie macht, aber irgendwie nicht so wirklich happy ist, nie seine Stärken und Schwächen kennengelernt hat und irgendwie der Gesellschaft dann auch nicht wirklich viel zurückgibt, oder? Ist man nicht auch der Gesellschaft verpflichtet?

Norbert Schneider: Ja, da wird es schnell eine sehr komplizierte Diskussion. zum einen würde ich mal sagen, die Frage könnten wir noch einen Punkt vorher ansetzen, Menschen nicht die Pflicht, überhaupt für Nachwuchs zu sorgen? Den Baby-Boomer wird ja jetzt vorgeworfen, sie haben zu wenig Kinder gekriegt, deswegen ist die Altersversorgung unterfinanziert und deswegen sollen sie jetzt gefälligst länger arbeiten. Also ist Elternschaft eine Bürgerpflicht? Nein, würde ich mal sagen. Elternschaft ist eine freie individuelle Entscheidung, in die die Gesellschaft nicht hineinregieren darf. Und das Stückwort würde ich das auch sehen für das Erziehungsverhalten. Die Gesellschaft kann nicht vorgeben, weil dann wird sozusagen Erziehung im Prinzip in die öffentliche Hand gelegt. Wir wollen Kinder, die folgende Merkmale haben, 1, 2, 3. Wir haben ein hohes Verwertungsinteresse.

Luca Beutel: Mhh. Mhm.

Norbert Schneider: So kann es nicht funktionieren. Aber natürlich kann man als Gesellschaft versuchen, Eltern zu sensibilisieren oder Eltern zu befähigen, für sich selber und für ihre Kinder zu tun, die sozial erwünscht sind, sage ich mal. Aber da kann man sozusagen Anreize geben oder man kann ein Stück weit Impulse geben. Aber auf keinen Fall darf man Druck ausüben oder gar eingreifen in diese Richtung.

Luca Beutel: Das heißt generell, ja, sonst ist man in irgendeinem, ich verstehe, was du damit sagst, sonst ist man schnell in so einer Vorgabepflicht, was muss ein Kind machen, und dann ist man schnell wieder in so extremen Bewertungssituationen. Dein Kind kann das noch nicht, deshalb bist du ein schlechtes Elternteil, dann kann man das theoretisch auch noch verschlimmern einfach. Aber generell, glaube ich schon, sollte man sein Kind relativ ... Meine persönliche Meinung, man sollte sein Kind oder ich würde mein Kind so erziehen, ohne dass ich jetzt ein Elternteil bin und ich spreche mich da leicht, ja, weiß ich selber, dass es relativ selbstständig ist, selbstständige Entscheidungen treffen kann, eigenen Kopf irgendwo hat, Wie Dinge zu laufen haben, wie es vielleicht will, dass Dinge laufen und so was. Und gleichzeitig aber so der ... ja, der Mentor daneben bin, im jugendlichen Alter, wenn es um wirklich wichtige Entscheidungen langsam geht. zu sagen, hey, meine Erfahrung ist das, das kann ich dir noch beibringen, aber den Weg musst du selber gehen, da kann ich mich auch nicht aus. Aber zumindest diese Grundfähigkeiten, die jeder Mensch haben sollte, Dass man weiß, ja, ich kann ausziehen, ich komme allein zurecht, ich weiß, wie ich mir was zu essen koche, ich überlebe, so nach dem Motto.

Norbert Schneider: Das können leider nicht alle.

Luca Beutel: Ja, ich weiß, ich sehe es auch bei mir. Viele sind sehr unselbstständig und trauen sich quasi gar nicht raus, so nach dem Motto.

Norbert Schneider: Ja, also da gibt es ja viele, viele Pädagogen, mit der Frage beschäftigt haben, was ist das Ziel von Erziehung? Natürlich kann man sagen, wir wollen zufriedene und glückliche Kinder, ist ja klar, aber wenn man davon abstrahiert, dann würde ich sagen, geht es schon Qualifizieren. Also Kinder müssen in irgendeiner Weise...

Norbert Schneider: Formale Qualifikationen und soziale Kompetenzen entwickeln. Wir leisten uns aber, dass eine wachsende Zahl von Kindern ohne jeden Schulabschluss das Bildungssystem verlässt. Das Bundesarbeitsministerium sagt ja mittlerweile, 15 % der jungen Leute sind so schlecht. ausgebildet so schlecht sozialisiert, dass sie niemals dauerhaft ins Erwerbssystem integriert sind. Das nehmen wir einfach hin. Darüber wird nicht gesprochen. Oder zu wenig. Also Qualifizieren und Kompetenzen erwerben, dann geht es darum, Menschen sind glücklicher und tun sich leichter, wenn sie sicher gebunden sind. ist diese sozusagen bindungstheoretische Orientierung. Das ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, weil auch dann werden sie eher autonom und sie müssen auf jeden Fall befähigt werden, zu partizipieren und soziale Teilhabe zu erleben. im Sinn von sie... Wir müssen sich gut integrieren können in Gruppen oder in Institutionen. wir haben zum Beispiel bei dem Buch ging es an irgendeiner Stelle auch die Frage, ist ein Schulerfolg? Und wir haben gesagt, Schulerfolg sind nicht in erster Linie gute Noten, sondern Schulerfolg ist, wenn das Kind sagt, ich gehe gerne in die Schule. Ich bin dort gern. Selbst wenn die Notenleistungen schlechter sind, hat dieses Kind und vielleicht auch seine Eltern mehr Schulerfolg. Also wenn das Kind ein Kind ist, aber von allen anderen gemobbt wird und es jeden Tag Angst hat, die Schule gehen zu müssen. Also da muss man auch mal fragen, was sind eigentlich unsere Bewertungskriterien und unsere Maßstäbe und deswegen ist es Partizipieren und Integrieren. meine Sachen sind auch eine wichtige Kompetenz, man Kindern beibringen muss. Das wären die Sachen, ja, qualifizieren, binden, partizipieren. Das wären so allgemeine...

Luca Beutel: Hm. Hm.

Norbert Schneider: Zielsetzungen, wo Erziehung drauf hinauslaufen könnte.

Luca Beutel: Was ist dein Appell an junge Eltern oder euer Appell?

Norbert Schneider: Also unser Appell ist erstens mehr Gelassenheit wagen, zweitens mehr Vertrauen in die eigenen Kompetenzen, mehr Bauchgefühl, mehr Intuition zulassen, weniger den Kopf einschalten, das heißt nicht, dass man ihn ausschalten soll, weniger. Und ganz wichtig, mehr Vertrauen in die kindlichen Kompetenzen entweichen. Und ein Stück weit auch, vielleicht der Viertelpunkt, Regeln setzen, Grenzen ziehen und die Einhaltung dieser Regeln und Grenzen auch ein Stück weit kontrollieren und im Zweifel auch sanktionieren. Also weil nichts ist schlimmer als Vorgaben machen und deren Einhaltung nicht kontrollieren. Wenn die folgenlos bleibt, ist überschreiten dieser Vorgaben. der denkbar schlechteste Impuls für die kindliche Entwicklung. Aber das wären so diese vier Bestandteile, die wir am Ende sozusagen den Eltern gerne zudrücken.

Luca Beutel: Norbert Schneider, meine Damen und Herren. Norbert, vielen lieben Dank, dass du wieder da warst mit deinem neuen Buch Mut tut gut, warum wir unseren Kindern mehr zutrauen können, gemeinsam mit der Maria Bellinger. Sag den Leuten noch noch, wo können sie dich und dein Buch und alle Projekte von dir finden?

Norbert Schneider: Mein Buch findet man im Buchhandel. Er bräckte von mir. Es gibt eine Internetseite, wo man auch viele andere Veröffentlichungen, das Buch ist ja nicht die einzige. Wir haben uns in vielen anderen Zusammenhängen, auch mit dem Thema Familienleben, Elternschaft, soziale Konstruktionsprozesse beschäftigt. Und es gibt mittlerweile so das Buch, sage ich jetzt mal, ist bislang, ist ja noch nicht lang draußen, auf eine relativ große Resonanz gestoßen. Es gab eine breite Debatte in der Zeit in der Süddeutschen und in vielen anderen Medien. Da kann man sich auch beteiligen an diesen Kommentierungen. Und dieses Buch, wenn man es denn kaufen und lesen möchte, soll zum kritischen Reflektieren über sich und sein Umfeld ermutigen. Es soll Perspektiven eröffnen. Es ist nicht belehrend, es ist nicht primär informierend, sondern es ist inspirierend. Es soll zum Nachdenken anregen und es soll die Leser und Leserinnen befähigen, auch mal andere Perspektiven einzunehmen zu denselben Sachverhalten, als die, sie bisher kennen.

Luca Beutel: Sehr schön. Leute und Norbert, vielen lieben Dank, dass du heute da warst. Leute, vielen lieben Dank fürs Zuhören und Einschalten. Ich hoffe, ihr konntet was mitnehmen für euch. Und vielen lieben Dank wieder, dass ihr dabei wart. Ich freu mich auf die nächste Folge. Norbert, vielleicht auch wieder mit dir. Du bist gern wieder eingeladen in den Podcast. Und ansonsten, Leute, ihr wisst Bescheid. Seid lieb zueinander, bleibt sauber. Und wir hören uns in der nächsten Folge. Bis dahin, macht's gut. Tschüssi.

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